Meine Schizophrenie - Aktualisierte Neuausgabe mit einem Vorwort von Manfred Lütz

Meine Schizophrenie - Aktualisierte Neuausgabe mit einem Vorwort von Manfred Lütz

von: Klaus Gauger

Verlag Herder GmbH, 2021

ISBN: 9783451822230

Sprache: Deutsch

248 Seiten, Download: 2119 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Meine Schizophrenie - Aktualisierte Neuausgabe mit einem Vorwort von Manfred Lütz



Zur Neuausgabe


Seit dem Erscheinen des Buchs im Februar 2018 sind drei Jahre vergangen und für mich bietet sich nicht zuletzt anlässlich der zweiten Auflage des Buches die Gelegenheit, Rückschau zu halten auf die Ereignisse, die sich in dieser Zeit für mich ergeben haben.

Vielleicht erst einmal zum Buch: Es wurde in der Presse gut aufgenommen. Zahlreiche Rezensionen in überregionalen und regionalen Zeitungen und Magazinen betonten den wichtigen Beitrag, den »Meine Schizophrenie« zur Entstigmatisierung der Krankheit leistet. Auch in verschiedenen Formaten in Fernsehen und Rundfunk war mein Buch präsent, unter anderem war ich im Dezember 2018 bei »Stern TV« zu Gast, zusammen mit dem Psychiater, Psychotherapeuten, Theologen und Autor Manfred Lütz und der bayerischen Staatsministerin Kerstin Schreyer (damals für das Ressort Familien, Arbeit und Soziales zuständig). In der Sendung, in der nicht nur mein Fall, sondern auch der des Sängers Daniel Küblböck präsentiert wurde, ging es nicht zuletzt um die Frage, inwiefern die deutsche Gesetzgebung die an Schizophrenie erkrankten Patienten oft im Wahn und damit auch im Stich lässt. Im Fall von Daniel Küblböck endete die Sache tödlich. Obwohl dem Vater, der in einem eingeblendeten Interviewbeitrag zu Wort kam, bewusst war, dass sein Sohn ernsthaft psychisch erkrankt war, reagierten die zuständigen Ämter mit Hilflosigkeit. Im September 2018 nahm Daniel Küblböck privat an einer Reise von Hamburg nach New York auf dem Kreuzfahrtschiff AIDAluna teil. In den Wochen vor der Kreuzfahrt hatte sein Umfeld nach Angaben seines Vaters eine plötzliche Wesensveränderung und psychische Probleme bei Küblböck festgestellt und man hatte vergeblich versucht, die Reise zu verhindern. Laut Aussage eines Passagiers, der in einer benachbarten Kabine untergebracht war, habe sich Küblböck auffällig benommen und häufig Selbstgespräche geführt. Seit dem 9. September 2018 ist Küblböck auf See verschollen, nachdem er gegen 4 Uhr morgens vor der Küste Neufundlands über Bord gesprungen war. Auch in meinem Fall waren in den Jahren von 2010 bis 2014 meinen Eltern und auch den Psychiatern des ZfP Emmendingen die Hände gebunden, da vermeintlich keine akute Selbst- und Fremdgefährdung festgestellt werden konnte. Tatsächlich gefährdete ich mich dann im Rahmen meiner dreimonatigen wilden Weltreise im Winter 2013/2014 dennoch erheblich. Vor allem der von mir schon anvisierte Übertritt nach Mexiko von Kalifornien aus hätte übel enden können, ganz abgesehen von den finanziellen Kosten und der Nervenanspannung meiner Eltern, die dadurch verursacht wurden. So plädiere ich auch heute noch (wie damals auch bei »Stern TV«) weniger für eine »Freiheit zur Krankheit« (Bundesverfassungsgericht), sondern vor allem auf ein »Recht auf Gesundheit«, das im Falle einer Anosognosie des Patienten (also einer krankheitsbedingten mangelnden Krankheitseinsicht) auch gegen den Willen des im Wahn gefangenen Patienten durchgesetzt werden sollte, gerade auch, um größeren Schaden und eine mögliche Chronifizierung der Erkrankung zu verhindern.

Den vorläufigen Abschluss der Berichterstattung über meinen Fall und mein Buch bildete dann im Oktober 2019 ein Beitrag im Südwestrundfunk zum Thema Schizophrenie, der in der Reihe »SWR Wissen« ausgestrahlt wurde.

Im September 2019 erschien die spanische Übersetzung meines Buches bei Herder Editorial (Barcelona). Die Übersetzung hatte meine Mutter angefertigt, die eine äußerst versierte und mittlerweile auch preisgekrönte Übersetzerin vom Deutschen ins Spanische ist. Ich war zu dieser Zeit gerade in Madrid und konnte zahlreiche Pressetermine rund um das Buch wahrnehmen. Es freut mich sehr, dass mein Buch nun auch in meiner zweiten Heimat Spanien präsent ist. Besonders bewegend war für mich das Wiedersehen mit Dr. Agustín Rodríguez Bueno auf dem spanischen nationalen Kongress für Psychiatrie in Bilbao, auf dem wir gemeinsam mein Buch einem Fachpublikum vorstellen konnten. Ich war froh, ihn nach immerhin fünf Jahren endlich wieder zu treffen, und konnte die Gelegenheit nutzen, mich mit ihm auszutauschen und ihm nochmals für seinen Einsatz für meine geistige Gesundheit im Sommer 2014 zu danken.

Zurück zur deutschen Ausgabe meines Buchs: Natürlich schlossen sich an das Erscheinen auch zahlreiche Lesungen an, die mich kreuz und quer durch die Bundesrepublik führten. Unter den Zuhörern bei diesen Lesungen waren auch viele von Schizophrenie Betroffene und Angehörige, mit denen ich oft in den anschließenden Diskussionen einen regen Meinungsaustausch hatte. Ich nahm auch an einigen Kongressen und Symposien teil, wobei die Einladung zum Kongress der »Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde« (DGPPN) in Berlin im November 2019 besonders hervorzuheben ist. Ich hatte hier die Gelegenheit, aus meinem Buch vorzulesen und anschließend mit dem anwesenden Fachpublikum zu diskutieren. Moderiert wurde diese Veranstaltung von Manfred Lütz, der mein Buch sehr schätzt und nach unserer Begegnung bei Stern TV diesen Termin auf dem DGPPN-Kongress möglich gemacht hatte.

Ein Höhepunkt war zweifellos auch die Verleihung einer der regionalen Christian-Roller-Preise im November 2018 an mich für «Meine Schizophrenie«. Der Christian-Roller-Preis wird alle zwei Jahre an Initiativen und Organisationseinheiten der drei Zentren für Psychiatrie in Baden-Württemberg, an das ZfP Emmendingen, das Psychiatrische Zentrum Nordbaden und an das ZfP Reichenau, vergeben. Mein Buch wurde mit 3.000 Euro prämiert – vor allem zeigte mir diese Auszeichnung aber, dass auch Psychiater ein Buch schätzen können, das streckenweise eine harsche Kritik an der psychiatrischen Praxis enthält – auch wenn es natürlich klarmacht, dass ohne Psychiatrie und Medikamente eine Genesung von einer paranoiden Schizophrenie letztlich kaum möglich ist, zumindest nicht, wenn man zu den häufig anzutreffenden chronischen Fällen gehört.

Dass ich auch im Jahr 2020, zwei Jahre nach dem Erscheinen, zu weiteren Symposien eingeladen wurde, zeigt, welchen wichtigen Beitrag mein Buch für die Diskussion rund um die Schizophrene leistet. Auch wenn das Corona-Virus meinen Aktivitäten rund um das Buch einen vorläufigen Riegel vorgeschoben hat.

Am interessantesten waren für mich allerdings nicht die Pressetermine und Lesungen, sondern die individuellen Reaktionen meiner Leser, die oft über soziale Medien und manchmal über den Herder Verlag Kontakt mit mir aufnehmen. Es handelt sich dabei meist um Angehörige von Schizophrenie-Betroffenen, in der Regel der Vater oder die Mutter oder der Bruder oder die Schwester eines Erkrankten. Sie sind verzweifelt, weil der meist an paranoider Schizophrenie Erkrankte an Anosognosie leidet und damit krankheitsbedingt uneinsichtig ist und jede Behandlung verweigert. Für die Angehörigen ist dieser Zustand des Betroffenen eine ungeheure Last und Anlass zu ständiger Sorge, während der Erkrankte sich in der Regel noch so weit im Griff hat, dass er zumindest nicht körperlich gewalttätig wird und auch keinen Suizidversuch unternimmt. In genau diesen Fällen, in denen keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt, ist in Deutschland eine Behandlung gegen den Willen des Betroffenen vom Gesetz her nicht möglich, mit dem Ergebnis, dass die Angehörigen nur abwarten können, bis die Erkrankung noch schlimmer wird und letztlich ein Gewaltausbruch oder ein Suizidversuch erfolgt. Das Kind muss also erst in den Brunnen fallen, bevor die Psychiater handeln dürfen. Diese Angehörigen, die mich kontaktieren, erhoffen sich von mir vor allem Ratschläge, wie sie mit dem Erkrankten umgehen sollen, und wollen wissen, welche Möglichkeiten es gibt, ihn einer Behandlung zuzuführen. Mir bleibt meistens nichts anderes übrig, als ihnen nochmals den deutschen gesetzlichen Rahmen für eine Zwangsbehandlung vor Augen zu führen und ihnen klarzumachen, dass sie sich in Geduld üben müssen. Ich selbst kenne Fälle von Schizophrenie-Betroffenen, die viele Jahre lang unbehandelt blieben, ohne Aussicht auf Besserung, und auch deren Angehörigen nur die vage Hoffnung blieb, der Zustand des Erkrankten werde so außer Kontrolle geraten, dass doch die gesetzlichen Vorgaben für eine Zwangsbehandlung erfüllt sind. Bei mir selbst dauerte dieser Zustand vier Jahre, von 2010 bis 2014, und er wurde nur beendet, weil ich letztlich in Spanien in einer Psychiatrie landete, wo der gesetzliche Rahmen für eine Zwangsbehandlung deutlich anders ist als in Deutschland. In Spanien genügt es, wenn ein Psychiater eine schwere psychische Erkrankung beim Patienten erkennt, er einen Richter hinzuzieht, welcher wiederum nach einer Anhörung des Patienten eine Zwangsbehandlung anordnen kann, falls es sich in der Anhörung bestätigt, dass der Patient psychisch schwer krank ist. So geschah es bei mir im Sommer 2014 im nordspanischen Huesca, und so wurde ich nach vier irrwitzigen Jahren von meinem Wahn befreit. Im Nachhinein bin ich heilfroh, dass das psychotische Elend bei mir damals endlich beendet wurde. Wäre ich nach meiner wilden Weltreise, die mich über die USA und Kanada bis nach Tokio führte, nicht nach Spanien, sondern wieder nach Deutschland zurückgekehrt, hätte es wesentlich länger dauern können, bis ich endlich erfolgreich behandelt worden wäre. Die vom Bundesverfassungsgericht postulierte »Freiheit zur Krankheit« hat im Falle der Schizophrenie eben nicht nur beträchtliche Folgen für die Betroffenen, die dann oft Jahre im Wahn verbringen, sondern vor allem auch für die Angehörigen, die in der Regel die Last der Situation tragen müssen und oft ungeheuer leiden und verzweifelt nach Hilfe und Rat suchen.

Mit manchen dieser Angehörigen rede ich nicht nur telefonisch,...

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