Der Wolf von Hamburg - Thriller

Der Wolf von Hamburg - Thriller

von: Jürgen Ehlers

KBV Verlags- & Medien GmbH, 2015

ISBN: 9783954412426

Sprache: Deutsch

300 Seiten, Download: 784 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Der Wolf von Hamburg - Thriller



Das Leck


Mittwoch, 19. November 2014

Bernd Kastrup stand in seinem Büro und musterte die Truppe, die ihm zur Verfügung stand. Da war zunächst einmal Vincent Weber, sein ältester und erfahrenster Mitarbeiter. Er hatte eine wechselhafte Karriere hinter sich, in deren Verlauf er unter anderem als Illusionist gearbeitet hatte. Seine Kollegen nannten ihn den Zauberer, was sich weniger auf seine Kartentricks bezog als darauf, dass er in der Lage war, sich in andere Menschen hineinzudenken und auf diese Weise Erfolge zu erzielen, wo andere vor ihm gescheitert waren. Weber war erst mit 35 Jahren zur Polizei gekommen. Vor zwölf Jahren war das gewesen; jetzt war er Hauptkommissar, genau wie Bernd. Sie hatten schon vor der Neugliederung der Kripo zusammengearbeitet, im alten LKA 411, der Mordkommission.

Kriminaloberkommissar Alexander Nachtweyh, sieben Jahre jünger als Weber, stammte aus Osterode am Harz. Vor seiner Polizeiausbildung hatte er ein Germanistik-Studium abgebrochen. Er war einsatzfreudig und zupackend, andererseits aber auch leicht ablenkbar und verspielt. Computer waren seine Leidenschaft. Bernd wusste, dass Nachtweyh in seiner Freizeit irgendeine Kampfsportart trainierte. Bei der Zusammenlegung von LKA 411 (Mordkommission) und LKA 417 (Todesermittlungen) waren Nachtweyh und Ladiges ihm zugeteilt worden. Die beiden waren erst vor sechs Monaten zu ihnen gestoßen.

Jennifer Ladiges war 29. Sie hatte ihr dreijähriges Studium an der Akademie der Polizei Hamburg mit Auszeichnung bestanden und war jetzt »Bachelor of Arts«, eine Bezeichnung, die Bernd jedes Mal ein spöttisches Lächeln entlockte, wenn davon die Rede war. Dabei gab es an Jennifers Leistung nichts zu bemängeln. Es war nur die für ältere Kollegen wie ihn ungewohnte Laufbahn, bei der er jedes Mal an die Police-Academy-Filme denken musste, von denen er jeden einzelnen auf DVD besaß und mit großer Freude viele Male gesehen hatte. Jennifer war Kriminalkommissarin.

Zu jedem seiner Mitarbeiter hatte er volles Vertrauen. Umso stärker beunruhigte es ihn, dass auf irgendeine Weise Informationen über ihre Arbeit an die Öffentlichkeit gelangt waren, die normalerweise die Diensträume nicht hätten verlassen dürfen. Irgendwo gab es eine undichte Stelle. Eine Zeit lang hatte Bernd sich eingeredet, dass dieses Leck nicht in ihrer Abteilung zu finden sein konnte, sondern dass sich möglicherweise irgendein Pressevertreter bei Hintergrundgesprächen nicht an die vereinbarte Vertraulichkeit gehalten hatte. Die Art der Informationen, die nach außen durchgesickert waren, deutete allerdings darauf hin, dass dies eine Illusion war. Die undichte Stelle lag hier bei ihnen.

Bernd räusperte sich. »Ich nehme an, ihr habt alle die heutige Zeitung gelesen.«

Jennifer Ladiges nickte, die anderen zeigten keine Reaktion. Es gehörte seit Langem zur Routine, dass jeder von ihnen morgens die Zeitungen zumindest daraufhin durchblätterte, ob es irgendwelche Meldungen gab, die ihre Arbeit betrafen.

»Wir haben verabredet, über bestimmte Aspekte des aktuellen Falles Stillschweigen zu wahren. Dennoch schreiben die Zeitungen heute, dass angeblich ein Wolf in Hamburg sein Unwesen treibt.«

Vincent zuckte mit den Achseln. »Was willst du damit sagen?«

»Ich will damit sagen, dass jemand Informationen weitergegeben hat, die er nicht weitergeben sollte. Ich habe mir unseren Bericht für die Presse ausgedruckt. Hier – das ist alles, was wir herausgegeben haben. In dem Text steht, dass gestern früh eine unbekannte Frau mit schweren Verletzungen im Kopf- und Halsbereich in der Speicherstadt tot aufgefunden worden ist. Warum lautet dann die Schlagzeile hier in dieser Zeitung Der Wolf von Hamburg

Vincent antwortete: »Das weiß ich nicht. Vielleicht hat der anonyme Anrufer sich an die Presse gewandt? – Übrigens ist mir aufgefallen, dass dieser ›Wolf von Hamburg‹ nur in einer einzigen Zeitung auftaucht. Bisher jedenfalls.«

Ja, natürlich war Bernd das auch aufgefallen.

»Du glaubst doch nicht etwa, dass einer von uns mit diesen Leuten geredet hat?«

»Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Vincent. Ich bin eigentlich der Meinung, dass keiner von uns so was tun würde. Aber andererseits sind vertrauliche Informationen noch außen gedrungen; daran gibt es nichts zu deuteln. Und dies ist nicht das erste Mal, dass das passiert ist. Ich kann mir nur vorstellen, dass irgendjemand im privaten Gespräch Dinge gesagt hat, die besser nicht gesagt werden sollten. Ich möchte euch deshalb alle bitten, mit euren Äußerungen noch vorsichtiger zu sein als bisher.«

»Wir werden uns bemühen«, sagte Alexander leichthin.

»Das ist gut. Ich versuche inzwischen herauszufinden, woher dieser Reporter seine Informationen hat. Ich werde mit dem Mann reden, der den Artikel verfasst hat.«

»Wenn er mit dir redet«, wandte Alexander ein.

»Wenn er mit mir redet«, bestätigte Bernd. Aber er war sich sicher, dass der Journalist mit ihm reden würde.

Der Artikel war mit dem Kürzel pt gekennzeichnet. Ein Anruf bei der Redaktion klärte, dass pt das Kürzel des Journalisten Peter Tornquist war. Tornquist gehörte zum Bereich Lokales. Ja, er sei bereit, sich mit Bernd zu treffen. In einer halben Stunde bei Schweinske im Hauptbahnhof, schlug er vor. Bernd bat um etwas mehr Zeit für die Anreise. Das Landeskriminalamt lag einfach zu weit von der Innenstadt entfernt.

Als Bernd Kastrup am Hauptbahnhof eintraf, saß der Journalist schon an einem Zweiertisch. Er war nicht zu verfehlen. Neben seiner Tasse Espresso lagen Kamera und Notizblock.

»Bitte keine Fotos.«

Der Mann verstaute die Kamera in seiner Aktentasche.

»Schön, dass Sie gleich Zeit für mich gefunden haben.«

»Ist doch selbstverständlich.«

Kastrup bestellte sich einen Kaffee.

»Ja, das war früher einfacher, als Sie noch alle am Berliner Tor saßen«, philosophierte der Journalist. Er roch nach Zigarettenrauch. »Alles wird schwieriger. Und jetzt kommt zu allem Ärger auch noch die Umorganisation des Landeskriminalamtes hinzu …«

Das war ein Punkt, über den Bernd nicht diskutieren wollte. »Manches war früher besser«, räumte er ein. »Aber ich will nicht über die Vergangenheit mit Ihnen reden. Es geht um die Gegenwart.«

»Genau. Sie sind derjenige, der bei dem gegenwärtigen Mordfall den ›Ersten Angriff‹ geleitet hat.«

Bernd schüttelte den Kopf. »Wir sind hier nicht bei den Sturmtruppen. Die Streifenpolizisten haben die Tote gefunden, und die haben uns dann informiert.«

»Aber wenn ich richtig informiert bin, dann spricht man doch in einem solchen Fall von einem ›Ersten Angriff‹, auf den dann weitere Angriffe folgen. Der ›Sicherungsangriff‹ …«

»Bei mir nicht«, beharrte Bernd. Ihm missfiel die Verwendung militärischer Begriffe für die Polizeiarbeit. Er würde diese Ausdrücke nicht benutzen.

»Nun gut. Sie haben mich um dieses Gespräch gebeten. Was kann ich für Sie tun?«

»Eine ganze Menge. Es hat in der letzten Zeit Berichte über unsere Arbeit gegeben, die uns nicht gefallen haben«, sagte Bernd.

Der Journalist hob die Augenbrauen. »Es ist nicht die Aufgabe der Presse, allen Bürgern zu gefallen. Im Gegenteil. Ein wesentlicher Punkt unserer Arbeit besteht darin, Dinge ans Licht zu bringen, die einem Teil der Bevölkerung ganz und gar nicht gefallen.«

»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin ein großer Freund der Pressefreiheit …«

»Davon gehe ich aus. Immerhin ist die Pressefreiheit unseres Landes an prominenter Stelle im Grundgesetz verankert.«

»Ja, das ist richtig. Aber die Freiheit darf nicht grenzenlos sein …«

»Darf sie das nicht? Ich bin anderer Ansicht. Ich bin ein großer Freund der grenzenlosen Pressefreiheit.«

»Das sind schöne Sprüche, Herr Tornquist. Aber die helfen uns nicht weiter. Bei der Suche nach dem Täter sind wir auf die Unterstützung der Presse angewiesen. Aber es ist keine Hilfe, wenn die Presse Dinge veröffentlicht, die wir aus ermittlungstechnischen Gründen für uns behalten wollen.«

»Sie meinen den Wolf?«

»Ja, ich meine den Wolf. Den sogenannten Wolf. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die junge Frau, die gestern tot in der Speicherstadt lag, von einem Wolf getötet worden ist. Und es hilft uns keineswegs, wenn die Presse eine Wolfs-Hysterie entfacht. Um es vereinfacht auszudrücken: Niemand soll ›Wolf!‹ schreien, wenn es gar keinen Wolf...

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