Böses Herz - Thriller

Böses Herz - Thriller

von: Sandra Brown

Blanvalet, 2013

ISBN: 9783641101558

Sprache: Deutsch

512 Seiten, Download: 1980 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Böses Herz - Thriller



1

Mommy?«

»Hm?«

»Mommy?«

»Hm?«

»Da ist ein Mann im Garten.«

»Was ist los?«

Die Vierjährige blieb an der Ecke des Küchentischs stehen und blickte sehnsüchtig auf die Schokoladenglasur, mit der ihre Mutter den Cupcake verzierte. »Krieg ich was davon, Mommy?«

»Darf ich etwas davon haben. Du kannst die Schüssel ausschlecken, wenn ich fertig bin.«

»Du hast Schoko gemacht.«

»Weil du am liebsten Schoko isst und weil ich dich von allen Mädchen am liebsten habe«, sagte sie und zwinkerte dem Kind zu. »Und«, fuhr sie betont langsam fort, »ich habe noch Streusel, die wir obendrauf streuen können.«

Emily strahlte, doch dann verzog sie bekümmert das Gesicht. »Er ist krank.«

»Wer ist krank?«

»Der Mann.«

»Welcher Mann?«

»Der Mann im Garten.«

Endlich drangen Emilys Worte zu Honor durch, und sie registrierte, dass es sich nicht nur um unwichtiges Geplapper handelte. »Da ist wirklich ein Mann im Garten?« Honor legte den verzierten Cupcake auf der Kuchenplatte ab, versenkte den Spatel in der Kuvertüre und wischte sich gedankenverloren die Hände an einem Handtuch ab, während sie sich an ihrer Tochter vorbeischob.

»Er ist so krank, dass er sich hinlegen muss.«

Emily folgte ihrer Mutter von der Küche ins Wohnzimmer. Honor trat an das große Fenster und ließ den Blick von links nach rechts schweifen, aber sie sah nur den unverwüstlichen Südstaatenrasen, der sich dezent zum Bootssteg hin absenkte.

Hinter den verwitterten Holzplanken des Stegs schwappte träge das Wasser des Bayou. Eine Libelle schwebte so knapp über dem Wasser, dass sich hin und wieder die Oberfläche kräuselte. Der streunende Kater, der Honor jedes Mal mit Missachtung strafte, wenn sie ihm erklärte, dass er hier nicht wohne, pirschte sich in ihrem Beet grellbunter Zinnien an eine unsichtbare Beute an.

»Em, da ist kein …«

»Bei dem weißen Busch«, unterbrach Emily sie eigensinnig. »Ich habe ihn von meinem Zimmer aus gesehen.«

Honor ging zur Tür, drehte den Riegel zurück, hängte die Kette aus, trat auf die Veranda und schaute in die Richtung des weißen Eibischstrauches.

Und tatsächlich, da lag er, mit dem Gesicht zum Boden, halb auf der linken Seite, das Gesicht von ihr abgewandt, den Arm über den Kopf gestreckt. Er rührte sich nicht. Honor konnte nicht einmal feststellen, ob sich sein Brustkorb hob und senkte.

Schnell drehte sie sich um und schob Emily sanft ins Haus zurück. »Schätzchen, lauf in Mommys Schlafzimmer. Das Telefon liegt auf dem Nachttisch. Bring es mir bitte.« Um ihrer Tochter keine Angst einzujagen, sprach sie so ruhig wie möglich, bevor sie die Verandastufen hinunterlief und über den Rasen auf die liegende Gestalt zurannte.

Im Näherkommen sah sie, dass die Kleidung des Mannes verdreckt, zerrissen und voller Blutflecken war. Auch sein nackter, ausgestreckter Arm und die Hand waren blutverschmiert. Geronnenes Blut verklebte außerdem den dunklen Schopf auf seinem Scheitel.

Honor ging neben ihm in die Hocke und legte die Hand auf seine Schulter. Als er aufstöhnte, atmete sie erleichtert aus. »Sir? Können Sie mich hören? Sie sind verletzt. Ich hole Hilfe.«

Sein Arm schnellte so unvermittelt hoch, dass sie nicht einmal Zeit hatte zurückzuweichen, geschweige denn sich irgendwie zu wehren. Blitzschnell und mit einem Höchstmaß an Präzision hatte er sie überwältigt. Seine linke Hand schoss vor und packte ihren Nacken, während seine Rechte den kurzen, stumpfen Lauf einer Pistole in die Vertiefung unter ihren Rippen presste. Er zielte leicht nach oben und links, genau auf ihr Herz, das vor Angst zu platzen drohte.

»Wer ist sonst noch hier?«

Ihre Stimmbänder waren vor Angst wie eingefroren, sie brachte keinen Ton heraus.

Er drückte ihren Nacken fester zusammen und wiederholte düster und mit Nachdruck: »Wer ist sonst noch hier?«

Sie brauchte mehrere Anläufe, bevor sie stammelte: »Meine … meine Toch…«

»Noch jemand außer dem Kind?«

Sie schüttelte den Kopf. Oder versuchte es wenigstens. Er hielt ihren Nacken so gnadenlos umklammert, dass sie jeden einzelnen Finger spüren konnte.

Seine blauen Augen durchbohrten sie wie Laser. »Wenn Sie mich anlügen …«

Noch bevor er die Drohung ausgesprochen hatte, begann sie zu wimmern. »Ich lüge nicht. Ehrenwort. Wir sind allein. Tun Sie uns nichts. Meine Tochter … Sie ist erst vier. Tun Sie ihr nichts. Ich tue alles, was Sie sagen, aber tun Sie …«

»Mommy?«

Honors Herz krampfte sich zusammen, und sie gab ein leises Quieken von sich, wie ein gefangenes, hilfloses Tier. Da sie den Kopf immer noch nicht drehen konnte, sah sie aus den Augenwinkeln nach Emily. Sie stand ein paar Schritte von ihnen entfernt mit niedlich eingeknickten X-Beinchen, das süße Gesicht von blonden Locken umrahmt, und unter den rosa Seidenblüten auf ihren Sandalen leuchteten die kleinen Knubbelzehen hervor. Mit weit aufgerissenen Augen hielt sie Honors Handy in beiden Händen.

Honor spürte, wie eine Woge von Mutterliebe sie überschwemmte. Sie fragte sich, ob sie Emily vielleicht nie wieder so gesund und unschuldig und unberührt sehen würde. Die Vorstellung war so schrecklich, dass ihr sofort Tränen in die Augen stiegen, die sie, um ihrer Tochter willen, hastig wieder wegblinzelte.

Erst als sie zu sprechen versuchte, merkte sie, wie ihre Zähne klapperten. Sie brachte ein »Schon okay, Süße« heraus. Ihr Blick richtete sich wieder auf den Mann, der nur einen Fingerdruck davon entfernt war, ihr Herz in Fetzen zu schießen. Dann würde Emily ganz allein zurückbleiben, in Todesangst und seiner Gnade ausgeliefert.

Bitte, beschwor Honor den Fremden mit einem wortlosen Blick. Dann flüsterte sie: »Ich flehe Sie an.«

Die harten, kalten Augen hielten ihre fest wie ein Magnet, während er ganz langsam die Pistole zurückzog. Er senkte die Waffe und verbarg sie hinter seinem Oberschenkel, sodass Emily sie nicht sehen konnte. Aber die unausgesprochene Drohung blieb.

Schließlich löste er den Griff um Honors Nacken und sah Emily an. »Hi.«

Er sagte es, ohne zu lächeln. Eine Klammer von feinen Fältchen rahmte seine Mundwinkel ein, aber Honor glaubte nicht, dass es Lachfalten waren.

Emily sah ihn schüchtern an und bohrte die große Zehe in das dichte Gras. »Hallo.«

Er streckte die Hand aus. »Gib mir das Handy.«

Sie rührte sich nicht. Als er ungeduldig mit dem Finger schnippte, erklärte sie ihm ernst: »Du hast nicht ›bitte‹ gesagt.«

Das Wort bitte schien er noch nie gehört zu haben. Trotzdem fügte er nach kurzem Zögern hinzu: »Bitte.«

Emily trat einen Schritt vor, blieb dann wieder stehen und sah Honor an, als wartete sie auf deren Erlaubnis. Obwohl Honors Lippen unkontrollierbar zitterten, brachte sie so etwas wie ein Lächeln zustande. »Schon okay, Herzchen. Gib ihm das Handy.«

Schüchtern legte Emily die letzten Schritte zurück. Sobald sie nah genug war, beugte sie sich so weit vor wie möglich und legte das Handy in seine Hand.

Seine blutverschmierten Finger schlossen sich darum. »Danke.«

»Bitte. Willst du Grandpa anrufen?«

Er sah Honor an. »Grandpa?«

»Er kommt uns heute Abend besuchen«, verkündete Emily fröhlich.

Ohne den Blick von Honor zu wenden, fragte der Mann langsam: »Stimmt das?«

»Magst du Pizza?«

»Pizza?« Er sah wieder Emily an. »Klar. Sicher.«

»Mommy hat gesagt, ich kriege heute Abend Pizza, weil wir heute eine Party feiern.«

»Hm.« Er schob Honors Handy in die Vordertasche seiner schmutzigen Jeans, schloss dann die freie Hand um ihren Oberarm und zog Honor im Aufstehen mit hoch. »So wie es aussieht, bin ich gerade rechtzeitig gekommen. Gehen wir ins Haus. Dann kannst du mir alles über eure Feier erzählen.« Ohne Honors Arm loszulassen, schob er sie zum Haus. Honors Beine schlotterten so, dass sie bei den ersten unsicheren Schritten einzuknicken drohten. Im nächsten Moment hatte Emily den Kater entdeckt und alles andere vergessen. Sie rannte los und rief laut: »Hierher, Kätzchen«, woraufhin das Tier eilig in der Hecke am anderen Ende des Gartens verschwand.

Sobald Emily außer Hörweite war, sagte Honor: »Ich habe Geld im Haus. Nicht viel, vielleicht ein paar Hundert Dollar. Und ein bisschen Schmuck. Sie können alles haben. Hauptsache, Sie tun meiner Tochter nichts.«

Während sie auf ihn einredete, suchte sie mit Blicken hektisch den Garten nach irgendeiner Art von Waffe ab. Der aufgerollte Wasserschlauch auf dem Halter am Rand der Veranda? Der Geranientopf unten an den Stufen? Einer der halb vergrabenen Ziegelsteine, mit denen das Blumenbeet eingefasst war?

Sie wäre auf keinen Fall schnell genug, selbst wenn sie sich aus seinem Griff winden konnte, was, so wie sie seine Kräfte einschätzte, schwierig bis unmöglich war. Und falls sie sich gegen ihn zu wehren versuchte, würde er sie einfach erschießen. Dann konnte er mit Emily tun, was immer ihm einfallen mochte. Bei dem Gedanken schoss ihr die Magensäure in den Mund.

»Wo ist Ihr Boot?«

Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn verständnislos an.

Ungeduldig nickte er zu dem leeren Steg hin. »Wer ist mit dem Boot unterwegs?«

»Ich habe kein Boot.«

»Erzählen Sie keinen Müll.«

»Ich...

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