Change - Wie Wandel gelingt

Change - Wie Wandel gelingt

von: Klaus Doppler

Campus Verlag, 2017

ISBN: 9783593435718

Sprache: Deutsch

255 Seiten, Download: 4027 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Change - Wie Wandel gelingt



EINLEITUNG Die Veröffentlichungen zum Thema Change mit Ansichten, Einschätzungen, Erläuterungen und Ratschlägen nehmen seit Mitte der 1990er-Jahre immer stärker zu. Mittlerweile ist jedem wenigstens theoretisch klar: Verändern und Veränderungen gestalten - mit anderen Worten Change Management - sind keine Modethemen, kein temporäres Angebot in einem sich regelmäßig verändernden Zyklus von Beratungsangeboten, in dem immer wieder eine neue Sau durchs Dorf gejagt wird. Sie sind vielmehr fester Teil unseres Alltags; beruflich, aber zunehmend auch privat. Wir mögen dies als Zumutung beklagen, als Bedrohung fürchten, die Augen davor verschließen oder als Chance willkommen heißen - bei allen Enttäuschungen, Frustrationen oder allgemeiner Müdigkeit im Hinblick auf Change-Prozesse. Doch die Herausforderung bleibt: Das Umfeld verändert sich in vielfacher Hinsicht, zum Teil absehbar, zum Teil unvorhersehbar, und nur wer sich beizeiten dieser Situation stellt, sich fortwährend anpasst, kann im neuen Spiel mitspielen und es mitgestalten. Es gibt zwar keine Garantie, zu gewinnen, aber immerhin eine Chance! Eigene Erfahrungen oder Beobachtungen im persönlichen Umfeld und daraus abgeleitete Hoffnungen oder Befürchtungen bringen immer mehr Menschen dazu, diese Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen. So verwundert es nicht, dass mittlerweile ein breites Spektrum an einschlägigen Beratungs- und Hilfsangeboten mit theoretischen Konzepten, ausgeklügelten Werkzeugen, detaillierten Methoden und vielfältigen Fallbeispielen den Markt geradezu überschwemmt. Auch ich habe meinen Beitrag dazu geleistet, indem ich - allein und in Kooperation mit unterschiedlichen Partnern - regelmäßig meine persönlichen Erfahrungen in der Analyse, Konzeption und Begleitung von Veränderungsprozessen sowie im Coaching von verantwortlichen Change Managern reflektiert und in Form von Empfehlungen weitergereicht habe. Viele sehen in diesem Dschungel von Ratschlägen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es wird viel voneinander abgeschrieben, vieles einfach auch nur nachgeplappert, neu etikettiert und als einzig wahre Lehre verkündet. Doch die Kernpunkte muss man sich mühsam selbst zusammensuchen. Gemeinsam mit meinem Schweizer Kollegen Christoph Lauterburg habe ich vor nunmehr über 20 Jahren das Buch Change Management geschrieben, das zumindest für den deutschsprachigen Raum als Standardwerk gilt. Die Basis dafür waren nicht irgendwelche Theorien, sondern die Reflexion unserer gelebten Praxis als Berater und Begleiter in vielen Veränderungsprozessen. Dieser Linie sind wir seither treu geblieben. Wir haben unsere Ausführungen von Auflage zu Auflage mit neuen Aspekten ergänzt, die wir in der konkreten Beraterpraxis als relevant erkannt haben. Korrigieren mussten wir übrigens bislang nichts, was wir mit einem gewissen Stolz zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus habe ich mich in dieser Zeit mit verschiedenen speziellen Aspekten des Change Managements in zahlreichen anderen Publikationen, Videoclips oder Hörbüchern - zum Teil allein, zum Teil gemeinsam mit anderen Kollegen - intensiver befasst. Besonders relevant bei Veränderungen schien und scheint mir immer noch die entscheidende, aber deutlich unterschätzte Rolle der Emotionen. Warum bei Veränderungsprozessen Emotionen häufig ausgeklammert werden und wie erfolgreiche Change Manager Emotionen - die eigenen ebenso wie jene der Betroffenen - steuern können, habe ich deshalb in einem eigenen Buch gemeinsam mit meinem Kollegen Bert Voigt beschrieben. Im Rahmen meiner Fortbildungsangebote, unternehmensinternen Beratungen und bei Diskussionen im Anschluss an Vorträge werde ich regelmäßig mit folgenden Fragen konfrontiert: Was machen wir falsch, dass trotz allen Wissens und aller Change-Beratung so viele Projekte versanden oder zumindest nicht das bringen, was man beim Start erwartet hat? Stimmt die Theorie nicht oder haben wir etwas nicht verstanden? Wie lässt sich der Misserfolg von Change-Projekten erklären? Was müssen wir anders machen? Welches sind die Stellhebel und wie können wir diese erfolgreich bedienen? Um diese Fragen zu beantworten, scheint es mir wenig hilfreich, auf die Fülle der einschlägigen Literatur zu verweisen. Vor diesem Hintergrund beschäftige ich mich schon länger mit der Idee, kurz und prägnant zu beschreiben, welche Fehlerquellen ich bei meinen Praxiseinsätzen erkenne und an welchen Grundprinzipien ich mein eigenes Vorgehen als Berater für Change Management ausrichte. Ähnlich wie ich es mit einer Serie von kurzen Videofilmen praktiziert habe, werde ich hier die aus meiner Sicht substanziellen Kernelemente des Change Managements beschreiben - warum Change notwendig ist und wie man konkret dabei vorgehen sollte - und dabei versuchen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Basis dafür bilden meine vielfältigen Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Change-Projekten, sozusagen ein Konzentrat, das Sie bei Bedarf anhand der reichlich vorhandenen Fachliteratur vertiefen und ausdifferenzieren können. Wer sich mit meinen Büchern und Artikeln, die ich im Lauf der Jahre zum Thema Change veröffentlich habe, näher befasst hat, dem werden einige Aspekte sicherlich vertraut vorkommen. Der Einfachheit halber habe ich in Bezug auf meine eigenen Publikationen auf Quellenangaben verzichtet. In Kapitel 1 und 2 beschreibe ich, was eigentlich los ist, also was das Thema Change zum General- und Dauerthema macht. In Kapitel 3 erläutere ich, was eigentlich zu tun wäre, um ein Unternehmen zukunftsfähig beziehungsweise ein Change-Projekt nachhaltig erfolgreich zu machen. In Kapitel 4 erkläre ich, warum es gar nicht so einfach ist, dieser Ausrichtung, die im Grunde auf der Hand liegt, zu folgen. Ich beschreibe sozusagen die 'Psycho-Logik', weshalb das, was eigentlich zu tun wäre, häufig doch nicht getan wird. In Kapitel 5 bis 10 zeige ich Wege auf, wie es gelingen kann, dieser Psychodynamik der Inkonsequenz zu entkommen. Wem soll diese Navigationshilfe dienen? Erstens denjenigen, die insgesamt für die Zukunftsfähigkeit ihrer Unternehmen oder Organisationen (welcher Art auch immer) verantwortlich sind, sodass sie als Entscheider und Verantwortliche rechtzeitig die richtigen Schritte in die Wege leiten können. Zweitens denjenigen, die mit der Durchführung von Veränderungsprozessen beauftragt werden, sodass sie solche Prozesse nach allen Regeln der Kunst steuern können und das Unternehmen dadurch lernt, Change-Prozesse als normal zu betrachten, bei Bedarf automatisch in Gang zu setzen und zu meistern. Drittens den Beratern, damit sie nicht nur darauf achten, dass sie selbst lernen, sondern dass gleichzeitig im Unternehmen die notwendige Change-Kompetenz und Handlungssicherheit ausgebaut werden. Für alle drei Adressaten gilt: Überraschungen werden sich nicht vermeiden lassen, denn alle Wege führen in unbekanntes Gelände. Erfolgreich kann nur sein, wer sich verhält wie ein Forscher: Auf der Basis seiner Erfahrungen bildet er Hypothesen und baut darauf seine Versuche auf. Wenn sich die Hypothese nicht bewahrheitet, reagiert er nicht mit Enttäuschung oder Ärger - außer er hat einen Fehler im Versuchsaufbau gemacht -, sondern erkundet mit gespannter Neugier, was zu diesem unerwarteten Ergebnis geführt hat. Doch jeder Fehler, der darauf beruht, dass nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Ernsthaftigkeit geplant wurde, und jedes Misslingen, das nicht ernsthaft im Hinblick darauf ausgewertet wird, was für den nächsten Schritt daraus gelernt werden kann, wird zu einer Hypothek. Und so gibt es nach meiner Beobachtung in vielen Unternehmen eine Müllhalde mit Erfahrungen aus oberflächlichen, schlampigen, dilettantischen, abgebrochenen und deshalb unvollständigen Change-Projekten - Hypotheken, welche die nächsten Schritte zunehmend belasten. Die allgemein beklagte 'Change-Müdigkeit' beruht meines Erachtens weniger darauf, dass die Betroffenen Veränderungen insgesamt nicht für notwendig erachten. Vielmehr lehnen sie die Art des Vorgehens ab oder können sie nicht nachvollziehen. Dieses Buch soll dazu beitragen, Change-Prozesse ehrlich, kompetent und transparent zu gestalten. Kapitel 1 CHANGE MANAGEMENT - INFLATION EINES BEGRIFFS Change Management ist mittlerweile von existenzieller Bedeutung, und zwar branchenübergreifend in allen Organisationen. Der Kontext, in dem wir alle leben und uns behaupten müssen, hat sich dramatisch geändert und ist auf Dauer turbulent, instabil und nur begrenzt vorhersehbar. Insofern stimmt der gängige Spruch: 'Das einzig Stabile ist der Wandel.' Deshalb wird aus Marketinggesichtspunkten im Prinzip alles, was irgendwie passen könnte, unter diesem Etikett angeboten - darunter auch viel alter Wein in neuen Schläuchen. Alles ist Change! Oder auch nicht? Christoph Lauterburg und ich kamen ursprünglich aus der Organisationsentwicklung. Diese definierte sich grundsätzlich über drei Prinzipien: ganzheitlicher Ansatz, Beteiligung der Betroffenen und Hilfe zur Selbsthilfe. In unserer praktischen Beratungsarbeit machten wir dann zunehmend die Erfahrung, dass der Ansatz der Organisationsentwicklung eine spürbare Schwäche hat: Die Entwicklungsprozesse in Unternehmen sollten prinzipiell langfristig angelegt werden, weil damit der Anspruch verbunden war, die Unternehmenskultur insgesamt zu ändern, nämlich von einer hierarchischen zu einer partizipativen Führung und einer entsprechenden Form der Organisation. Mein Kollege hatte bereits Ende der 1980er-Jahre ein Buch veröffentlicht, mit dem vom Verlag gewählten reißerischen Titel VOR DEM ENDE DER HIERARCHIE. Wir waren zwar von den inhaltlichen Prinzipien der Organisationsentwicklung überzeugt, nicht aber vom zeitlichen Ansatz. Schon damals waren wir der Meinung: Das unternehmerische Umfeld entscheidet, welches Tempo für Veränderungen notwendig ist. Wer sich nicht schnell genug anpasst und verändert, fliegt aus dem Spiel beziehungsweise kommt nie richtig hinein. Deshalb legten wir den Fokus auf das Thema 'Veränderungen gezielt gestalten und managen', und dies bewusst nicht als Jahrhundertwerk oder langfristiges, generationenübergreifendes kulturelles Programm, sondern sehr gezielt, um das Überleben in einem turbulenten Umfeld zu sichern. Deshalb schlugen wir als Titel für unser gemeinsames Buch 'Veränderungsprozesse gestalten' vor. Der damalige Verleger des Campus Verlags fand den Titel jedoch nicht besonders zugkräftig. Und so diskutierten wir mögliche Alternativen, bis irgendwann der Begriff 'Change Management' fiel. Wir suchten im Internet und fanden zu diesem Zeitpunkt im deutschsprachigen Raum nur eine einzige Publikation, in der das Wort 'Change' auftauchte. Also besetzten wir diesen Begriff, der irgendwie anspruchsvoller klang, auf jeden Fall unverbraucht und weniger banal als das deutsche 'Veränderungsprozesse gestalten'. Am Inhalt änderte sich für uns absolut nichts. Die großen deutschen Beratungsfirmen hatten dieses Thema damals noch nicht in ihrem Portfolio, daher bekamen wir Anfragen, ihnen zu erklären, worum es bei Change Management konkret gehe. Wir erläuterten kurz die Geschichte dieses Begriffs und betonten dann die inhaltlichen Aspekte: warum Veränderung notwendig ist und wie sie - unter Beibehaltung der drei Prinzipien aus der Organisationsentwicklung - schnell, konsequent und nachhaltig herbeigeführt werden kann. Der Begriff wurde über die Jahre immer populärer und die Ansprüche der Kunden immer bestimmter in Bezug auf erfolgreiche Veränderungen, jetzt allerdings immer häufiger unter der Marke Change Management. Und so kam es, wie es kommen musste: Einige Berater und Trainer entwickelten sehr schnell eigene Konzepte oder qualifizierten sich bei denjenigen, die welche hatten, um diesem mehrdimensionalen Anspruch - ganzheitlicher Ansatz, Beteiligung der Betroffenen, Hilfe zur Selbsthilfe, und das alles unter Zeitdruck - gerecht zu werden. Die große Mehrheit wartete allerdings zunächst ab in der Überzeugung, es handle sich bei Change Management wie bei vielen anderen Themen nur um eine vorübergehende Modewelle. Doch als Change wider Erwarten zum festen Bestandteil der Kundenerwartung mutierte, wurden viele herkömmliche Angebote schlicht neu etikettiert: Ob radikale Veränderung oder schrittweise, ob in Form laufender Anpassung im Rahmen der normalen Führung oder als einmaliger geplanter massiver Eingriff, ob Werkzeuge, Prozesse, Strukturen, Strategie oder Unternehmenskultur, ob eindimensional wirtschaftlich, ökonomisch, ökologisch, gesellschaftlich oder ganzheitlich - alles wurde als 'Change' bezeichnet. Diese undifferenzierte Ausweitung des Begriffs 'Change' hat ihn zu einer verwaschenen Verkaufsargumentation verkommen lassen, zu einem Modewort degeneriert, das den Anschein von unmittelbarer Innovation und Kompetenz erwecken soll. Er klingt nicht wie ein Werkzeug, wie zum Beispiel Business Process Reengineering, sondern verspricht eine Wirkung, sozusagen das Endergebnis, analog dem Leitspruch von Barack Obama 'Yes, we can! ' statt 'Yes, we could if ...'. Er trifft haargenau die erlebte Forderung nach schnellem Handeln. Ähnliches trifft übrigens auf neue Schlagworte - neudeutsch Buzzwords - zu, die später als Ablösungsversuche von Change in den Markt gebracht wurden, wie zum Beispiel 'Transformation Management' oder 'VUCA' (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität). Teamentwicklungen, (ganzheitliche) Prozessmoderation, systemische Beratung, klassische Moderation, Großgruppenarbeit, Führungskräftetrainings, Strategie- und Strukturberatungen, sogar Outdoor-Veranstaltungen - jede Form von Fachberatung und Training wurde schlichtweg umdefiniert und in mehr oder weniger direkte Verbindung zu Change gebracht, ohne dass an den alten Konzepten grundsätzlich etwas geändert worden wäre. Die Devise lautete offenbar: Wenn der Kunde Change will, dann bekommt er eben Change! Auch in den Unternehmen selbst fand diese Umetikettierung statt: Führungskräfte, die zum Beispiel durch eine Fusion nicht mehr in ihrer alten Rolle benötigt wurden, wurden zu 'Change Agents' umdefiniert; Mitarbeiter aus der Personalentwicklung nannten sich ab sofort 'Change Manager' oder boten sich als 'Berater für Change Management' an. Etikettenschwindel mit Placeboeffekt Immer wieder wird behauptet, ein Großteil der Veränderungsprozesse würde scheitern oder zumindest nicht die erhofften Wirkungen erzielen. Doch an welchen Kriterien wird Erfolg überhaupt gemessen? Am wirtschaftlichen Ergebnis? An der Mitarbeiterzufriedenheit? Der Kundenzufriedenheit? Der Schnelligkeit der Veränderung? Der Radikalität der Veränderung? Oder dient diese Behauptung denjenigen, die sie in den Raum stellen, in erster Linie als Werbung für das eigene Angebot, das selbstverständlich verspricht, im Gegensatz zu allen anderen erfolgreich zu sein? Es ist wie bei einem Medikament: Eine neue Bezeichnung, gepaart mit unwesentlichen Modifikationen an der Arznei, ändert in der Regel wenig bis gar nichts für die Patienten, wohl aber eine Menge für den Hersteller. Denn dieser schafft sich damit einen neuen Zugang zum Markt und damit verbunden auch die Möglichkeit, den Preis neu zu gestalten. Auch bei Change gibt es im Übrigen einen Placeboeffekt: Es kann durchaus sein, dass ein Berater unter der neuen Bezeichnung mehr Aufmerksamkeit erfährt und deshalb eine größere Wirkung erzielt - obwohl er nichts anderes tut als bisher. In ihm selbst kann der Placeboeffekt wirken, indem allein die neue Bezeichnung mit dem neuen Anspruch sein Selbstbewusstsein stärkt, was wiederum in seinem gesamten Auftreten zum Ausdruck kommt. Ich wage allerdings die Nachhaltigkeit dieser Wirkungen zu bezweifeln, wenn die entsprechende Haltung in Bezug auf die oben genannten Prinzipien und die notwendige Kompetenz fehlen. Es ist in meinen Augen ein fundamentaler Unterschied, ob rein betriebswirtschaftlich ausgerichtete Berater - mögen sie auch an noch so renommierten Hochschulen einen noch so herausragenden Abschluss gemacht haben - den betroffenen Managern und Mitarbeitern etwas über Ganzheitlichkeit, Partizipation und Hilfe zur Selbsthilfe ins Konzept schreiben oder ob ein erfahrener, qualifizierter Berater gemeinsam mit den Beteiligten erarbeitet, was diese Grundsätze im konkreten Fall des betroffenen Unternehmens bedeuten und wie sie nachhaltig ein- und umgesetzt werden können. Kapitel 2 UNVERBINDLICHE VORSPIELE Sich vor dem Start einer Veränderung darüber zu verständigen, was, warum und mit welchem Ziel verändert werden soll, ist unabdingbar. Nicht wenige Unternehmen bleiben jedoch in dieser Vorphase hängen. Sie betreiben einen immensen Aufwand, um detaillierte Konzepte zu erstellen (oder diese von Beratern erstellen zu lassen). Oder sie starten die Veränderung mit der Formulierung eines prägnanten Leitbilds, an dem sich das Unternehmen ausrichten soll. Unmengen von Zeit und Energie darauf zu verwenden halte ich nicht nur für wenig nützlich, sondern geradezu für schädlich. Denn ausgefeilte Konzepte oder Leitbilder erwecken den Anschein, schon auf einem guten Weg zu sein - dabei ist noch kein einziger Schritt getan! Der Effekt entspricht in etwa dem von Neujahrsvorsätzen. Ein Konzept ist eben nur ein Konzept ... René Magritte, ein belgischer Maler des Surrealismus, hat unter anderem ein Bild mit einer Pfeife gemalt. Unter der Pfeife steht der Satz: 'Dies ist keine Pfeife.' Abbildung 1: Ein Bild ist eben nur ein Bild, ©2016. Digital Image Museum Associates / LACMA / Art Resource NY / Scala, Florenz. ©Photo SCALA, Florenz. Darauf angesprochen, gab Magritte den Kommentar: 'Ein Bild ist nicht zu verwechseln mit einer Sache, die man berühren kann. Können Sie meine Pfeife stopfen? Natürlich nicht! Sie ist nur eine Darstellung. Hätte ich auf mein Bild geschrieben, dies ist eine Pfeife, so hätte ich gelogen ...' Viele Berater entwerfen indes tolle Konzepte und vermitteln dabei - gewollt oder ungewollt - den Eindruck, das Konzept sei der entscheidende Teil von Change. Die Sprache verrät diese Schwerpunktsetzung, wenn es heißt: 'Das Konzept steht, jetzt muss es ?nur noch? umgesetzt werden.' Das Dilemma: Konzepte werden häufig am grünen Tisch entwickelt, noch dazu von Menschen, die relativ weit entfernt sind von der Realität. Das Problem ist nicht, dass man nicht wüsste, was verändert werden muss und warum die Notwendigkeit dazu besteht. Das weiß jeder, der mit einigermaßen klarem Verstand beobachtet, was um ihn herum passiert. Das entscheidende Manko bei vielen - egal ob auf die Theorie fokussierte Berater oder abgehobene Führungskräfte - besteht darin, zu wenig unmittelbaren persönlichen Austausch und Erfahrung zu haben mit denjenigen, die von der geplanten Veränderung betroffen sind und ohne deren engagierte Beteiligung Change nicht gelingen kann. Und so verläuft der Veränderungsprozess nach dem üblichen Muster des naiven Dreisprungs: konzipieren, kaskadieren, exekutieren. Die anschließende Enttäuschung darüber, dass die Umsetzung doch nicht so glatt verläuft wie geplant, wird dann allerdings nicht dem Konzept angelastet, sondern den unfähigen oder unwilligen direkt betroffenen Mitarbeitern und Führungskräften auf der mittleren Ebene - nicht selten als Lehm- oder auch Lähmschicht etikettiert beziehungsweise diffamiert. Ein Leitbild ist ein Scheinbild Nicht selten starten Unternehmen den Change-Prozess, indem sie ein Leitbild formulieren (lassen) mit beeindruckenden Zielvorstellungen, Werten und Spielregeln. Damit glauben sie, einen wesentlichen ersten Schritt der Veränderung geschafft zu haben. Das hehre Leitbild soll das Unternehmen nach außen - Kunden, Markt, Konkurrenz, Öffentlichkeit - gut darstellen und nach innen Orientierung geben, wie man sich zu verhalten hat. Es wird normativ beschrieben, was sein sollte, insgesamt aber so formuliert, als ob dieser Zustand bereits erreicht oder in unmittelbarer Nähe wäre: 'Wir sind', 'Wir verstehen uns als', 'Wir verpflichten uns', 'Wir erwarten von unseren Mitgliedern/Mitarbeitern' et cetera. Geradezu akribisch wird um Formulierungen gerungen und gleichzeitig dafür Sorge getragen, an den entscheidenden Stellen subtile Relativierungen einzubauen: 'Wir sind alle bemüht', 'Wir verstehen uns prinzipiell', 'Wir erwarten', 'Die Umsetzung soll flexibel erfolgen' et cetera. Das Ganze ist bewusst so weich und diffus formuliert, dass daraus keine konkreten Handlungen abgeleitet werden und deshalb auch keine konkreten Sanktionen beschlossen werden können. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige! Alle sind aber insofern zufrieden, als mit dem edlen Leitbild ein Scheinbild vorhanden ist, hinter dem man glaubt, den aktuellen Status quo und die fehlende Bereitschaft zur Veränderung verstecken zu können. In den meisten Fällen werden in einem Leitbild exakt diejenigen Aspekte besonders hervorgehoben, die das Unternehmen bräuchte, die aber nicht ausreichend ausgeprägt oder schlichtweg nicht vorhanden sind. Leitbilder sind also im Grunde sehr informativ - man muss sie nur richtig lesen können. Die normative Kraft des Faktischen lässt sich nicht einfach umdrehen in eine faktische Kraft von Normen. Neue Fakten schaffen neue Normen, aber neue Normen schaffen noch lange keine neuen Fakten!

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